Luisa Kirchmayr

Weniger Inhalt, mehr Lernkultur!

Wie Lernfluencer und kooperatives Lernen Weiterbildung wirksam machen.

In der neuen Arbeitswelt ist lebenslanges Lernen und den Status Quo regelmäßig zu hinterfragen, das A und O, um auf die vielen Veränderungen reagieren zu können. Doch was nützt das beste Training, große Summen an Investitionen, wenn die gelernten Inhalte im Arbeitsalltag nicht umgesetzt werden?

Nur etwa 20% der gelernten Inhalten werden tatsächlich im Arbeitsalltag angewendet.

Das Problem beginnt dabei schon, dass vorgelagerte Fragen meist gar nicht betrachtet werden:
Wie wird gelernt? Gibt es eine Lernkultur? Wie lernen die Mitarbeiter? Wie kann ich das Gelernte in die tägliche Arbeit einfließen lassen?
Daher muss dem Thema »Lernen in der Organisation« und »Transferwirksamkeit« ein weitaus höherer Stellenwert beigemessen werden als
dem Erstellen der Inhalte.

 

Daher sind es neue Fragen, die vorab beantwortet werden sollten:

• Wie können die Teilnehmer voneinander lernen?
• Wie kann ich die Teilnehmer des Trainings optimal beim Lernen unterstützen?
• Wie schaffen wir es, die gelernten Inhalte und erworbenen Kompetenzen im Alltag integrieren?

Das Ziel jedes Trainings ist es vom Push-Prinzip »Training machen« hin zum Pull-Prinzip: »Wie kann ich dadurch täglich besser werden« zu kommen.

Sich freiwillig während eines stressigen Arbeitsalltags hinzusetzen und zu »lernen« stellt viele Mitarbeiter vor große Herausforderungen. Zum einen aufgrund persönlicher Einwände und zum anderen aufgrund einer fehlenden Lernkultur im Unternehmen, die genügend Zeit für die regelmäßige Weiterentwicklung einräumt.

 

Daher braucht es auch hier andere Fragen bei der Erstellung eines Trainingsdesigns:

• Welche Lernmethoden setze ich im Training ein?
• Wie kommuniziere ich die Erwartungshaltung richtig an die Teilnehmer?
• Wie gestalte ich die Zeit zwischen den Trainingstagen/Modulen?
• Welche Maßnahmen ergeben Sinn bzw. passen zu Alltag und Kultur?
• Welche Möglichkeiten haben die Auftraggeber vor, während und nach den Trainings optimal zu unterstützen?

 

Transferwirksamkeit – der Schlüssel zum Erfolg

Der Gedanke »Trainings finden im Trainingsraum statt und sind abhängig vom Design und des Trainers.« ist schon längst nicht mehr Status quo. Lernerfolge werden schon bei der Erstellung des Designs und andrerseits, noch viel essenzieller, zwischen den Trainingstagen direkt am Arbeitsplatzvorbereitet. Gerade hier müssen neue Lernformen des kollaborativen Lernens angedacht werden. Von internen »Lernfluencern«, Podcasts, Nudges, Impuls-Webinaren uvm. Kollaboratives Lernen ist einer der Schlüssel, um in einem Begleitprogramm nachhaltig Transferwirksamkeit zu erzielen.

Neben der Stellschraube des Trainingsdesigns ist es unabkömmlich auch die Einflussfaktoren wie die direkte Führungskraft, die internen Prozesse als auch vorhandene Ressourcen zu betrachten, um das Gelernte erfolgreich in den Arbeitsalltag integrieren zu können. Führungskräfte haben die Verantwortung, die Barrieren möglichst gering zu halten, sodass Zeit und Ressourcen, aber auch die Prozesse es zu lassen, Inhalte des Trainings zu üben.

Warum Ganztagestrainings nicht immer sinnvoll sind

Menschen sind nur begrenzt aufnahmefähig.
Zwei Tage am Stück neue Themen durchzuarbeiten ist daher nur in wenigen bestimmten Settings erfolgreich.

Doch für neue Themen und Kompetenzerweiterung bietet es sich an, die Präsenzzeit zu verkürzen, soweit es geht, sodass die Inhalte während und auch danach besser »verdaut« werden können. Seit der Schulzeit sind wir es nicht mehr gewohnt mehr als einem Tag durchgängig zu lernen, vor allem nicht, wenn die Inhalte sehr komplex und neu sind. Deshalb ist zu überdenken, Trainingstage auf halbe Tage aufzusplitten und mit gezielten Maßnahmen zu ergänzen.

Dabei könnten die oben erwähnten Beispiele des kollaborativen Lernens hilfreich sein die wöchentlich oder monatlich umgesetzt werden, um Inhalte bröckchenweise näher zu bringen.
Besonders der Austausch während der Trainingstage hilft den Teilnehmern zu lernen. Aus der Forschung wissen wir aber, dass der Großteil des Lernens nicht im formellen Stil eines Seminarraums stattfindet, sondern vom Lernen von- und miteinander in der Praxis. KollegInnen werden bei denselben Herausforderungen zu Verbündeten und lernen durch das Wiedergeben von Problemen und deren Lösungsansätze. In solchen Fällen bieten sich begleitende Sessions an, um konkrete Alltags-Beispiele zu besprechen.

Die besten Erfahrungen machten wir dabei mit internen Podcasts und Sprechstunden. Denn sollten keine akuten Themen vorhanden sein, die zu den Inhalten des Trainings passen, kann man als Trainer auch Themen einbringen und aktiv zur Diskussion anregen. Das verbessert die Fähigkeit kritisch über bestehende Meinungen nachzudenken.
Das bietet sich auch als Webinare-Serie oder wiederkehrende Newsletter an, die mit Aufgabenstellungen verbunden sind. Besonders transferwirksam sind Case Studies
als Aufgabenstellung zwischen den Modulen sowie die eigene Definition des persönlichen Lernzieles des Teilnehmers. Jeder Teilnehmer arbeitet vor, während und nach den Modulen daran, das individuelle Lernziel zu erreichen.
Um die Motivation hochzuhalten und den Druck ein wenig zu erhöhen, werden diese Lernziele dann mit konkreten Herausforderungen des eigenen Alltags erweitert. Dabei geht es nicht um eine schulische Überprüfung. Sondern die
Teilnehmenden behalten damit den Fokus und wissen, an welchen speziellen Themengebieten sie besonders arbeiten müssen.
Um in Unternehmen eine Kultur der lernenden
Organisationen zu entwickeln, hilft ganz besonders der Ansatz interner »Lernfluencer«.

Denn das Problem liegt nicht an der Wertigkeit von Weiterbildungen, die pro Kopf Ausgaben werden trotz Krisen im Schnitt erhöht, sondern am Verständnis, was »Lernen« bedeutet und den Stellenwert von Lernen generell im Unternehmen.

Es hakt also nicht an den Angeboten oder Anbietern. Doch, wenn die Lernkultur nicht passt, andere Aufgaben stets wichtiger sind, Lernziele nicht gesetzt, oder Lernfähigkeiten fehlen, dann werden Weiterbildungsangebote und das erarbeitete Wissen dazu weiterhin eine nur geringe Halbwertszeit aufweisen.

Hier können »Lernfluencer« als Vorbild dienen. Sie zeigen vor, wie sie mit Lernzielen und Alltagsproblemen des Lernens umgehen, unterstützen bei Lernaufgaben und Methoden und können damit Lernen zur internen »Marke« machen.
Organisationen profitieren zigfach, wenn sie mehr ins »Lernen« als nur in die Inhalte und deren Zielsetzung investieren, weil Menschen auf lange Sicht mehr Selbstwirksamkeit in der Weiterbildung entwickeln. Man wird vom passiven Teilnehmer zum aktiven Lernenden.
Wenn heute Wissen und Inhalte mit nur einem Knopfdruck verfügbar sind, wird es umso wichtiger, Wissen korrekt einzuordnen, es besser mit dem Alltag zu verknüpfen und auch direkt anwenden zu können.

Ansonsten werden weiterhin etwa 80% der Inhalte im Sand verlaufen.


Es ist unumgänglich, dass sich Unternehmen in Zukunft noch intensiver mit neuen Lernformen, statt nur den Inhalten auseinandersetzen – und wir Weiterbildner sind dafür verantwortlich es aktiv anzusprechen.

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